Renovation

Jetzt hatte ich einen Handjacquardwebstuhl und eine Lochkartenschlagmaschine. Es war Mitte Juli, die Teile standen im Garten oder im Carport, alles war ausgesprochen dreckig und roch moderig. Ich putzte die Holzteile mit feuchten Lappen und nachher mit Brennsprit, bis kein Dreck mehr abkam. Dann wurde alles Holz mit der Schleifmaschine oder von Hand geschmirgelt und der Geruch verschwand. Die Jacquardmaschine wurde mit dem Staubsauger gereinigt,die Lochkartenschlagmaschine war in recht gutem Zustand, gründliches Reinigen reichte aus.

Die Metallteile waren völlig verrostet. Wir schleiften mit dem Handschleifer oder mit Papier und bürsteten mit einer Drahtbürste, die entrosteten Teile wurden geölt und spraylackiert. Ein grösseres Problem waren die Anhängeisen, 2400 dünne, rostrote Metallstäbe. Ich entschied mich, mit 1620 Stück anzufangen. Am Anfang entfernte ich den Rost an ca. zehn Stück aufs Mal mit dem Bandschleifer, und schmirgelte jedes einzelne Gewicht nachträglich von Hand, bevor ich es einölte. Dann gab mir Hermann Wendlinger den Ratschlag, Zitronensäure zu versuchen. Ich bestellte mehrere Kilo billige Industriequalität, die Ende September ankam: nachdem ein Bündel Gewichte über Nacht in der Zitronensäurelösung gelegen hatte, war die dicke Rostschicht verschwunden! Die Gewichte hatten nur noch schwarze Flecken, die sich aber leicht mit Sandpapier entfernen liessen. Nach dem Blankputzen wurde jedes Gewicht eingeölt. Das Ganze weniger ‘Muskelkraft, aber trotzdem gefühlte Ewigkeiten.

Es fehlten acht Holzplatinen, die fand ich zum Glück in einer Schachtel. Aber die Verbindungsschnüre zwischen den Platinen und den Gallierschnüren, die sogenannten Strupfen, waren nicht aufzutreiben. Ich kontaktierete Manufaktur Arm, und Frau Haller fand noch 4 Schnüre, leider waren sie zu kurz. Die existierenden Schnüre waren eine Art gewachste Naturfaser und ich machte eine Anfrage an die Firma, welche früher die Strupfen für Arm AG produziert hatte, aber sie produzierten diese Art Schnur schon lange nicht mehr. In den Baumärkten war auch nichts Ähnliches aufzutreiben. Zum Schluss fand mein Mann eine steife, 1 mm dicke Kunstfaserschnur in einem Fischereifachgeschäft in Norwegen, die eigentlich zur Reparation von Fischernetzen gedacht war, es war Oktober geworden.

Eine Jacquardnadel fehlte auch. Jetzt war guter Rat teuer. Ich fragte bei verschiedenen mechanischen Betrieben an, aber entweder hatten sie nicht so dünnen Stahl oder sie hatten keine Zeit oder nicht die richtigen Werkzeuge. Zum Schluss wurde ich wieder von meinem Mann gerettet: er bestellte einen 0,7 mm Stahlschweissdraht, den er an den richtigen Stellen verbiegen konnte. Dann lötete er einen Stopper fest, weil diese Art von Stahl schwierig zu schweissen ist, musste er mit Kupfer und Gas hartlöten.

Die Gallierschnüre waren alt und brüchig und ich entschied mich, alle zu ersetzten. Hermann wusste, wo dies zu kaufen war und ich bekam eine Schachtel zitronengelber Faden geliefert.

In einem Jacquardwebstuhl wird die Dichte des Stoffes hauptsächlich von den Gallierbrettchen bestimmt. Die Brettchen, die schon dran waren, waren auf 28 Fäden pro cm eingestellt, was für meine Bedürfnisse zu dicht war. Hermann machte Zeichnungen mit einem CNC Program und schickte diese an eine kleine Firma in Deutschland, die neue Brettchen, auf 20 Fäden pro cm eingestellt, für mich ausfräste.

Nachdem die neuen Brettchen angekommen waren, tauchte gleich das nächste Problem auf. Die Brettchen passten nicht in den Rahmen. Es war Ende November und Teillockdown und ich hatte keine Ahnung, wen ich anfragen sollte. Ich bin technisch unbegabt, und eine Planzeichnung konnte ich nicht herstellen, Hermann konnte ich auch nicht besuchen, weil die Grenze zu war.

Ich entschied mich kurzherum dafür, die neuen Brettchen auf den alten Rahmen zu setzten und weiterzumachen. 110 mm Ringe konnte zum Glück bei Toolo bestellt werden. Ich machte 1616 neue Gallierschnüre, befestigte sie an den Ringen und und hängte diese in die Karabiner. Dann fädelte ich die Gallierschnüre ein, eine Ewigkeitsarbeit. Als nächstes knotete ich die Gewichte und Litzen an den Gallierschnüren an, alle in genau richtiger Höhe, auch dies benötigte manche Tage.

Es war Januar geworden und guter Rat war immer noch teuer. Mein Mann enschied sich, den Rahmen selber zu machen, aus den alten Webstuhlteilen, die in unserer Garage herumlagen. Anfangs Februar wurde der Rahmen in einem Skibag von Norwegen in die Schweiz gefrachtet . Wir befestigten den neuen Rahmen und die Brettchen provisorisch. Ich machte eine Probekette, zog die Litzen und das Blatt ein, und knotete vorne an. Schlug eine Lochkarte mit einem kleinen Muster, ein Rapport von acht.

Und jetzt, funktioniert’s?

 

Previous
Previous

Perfekt oder gut genug?

Next
Next

Ostfriesland